COSÌ FAN TUTTE – über das Stück
„Così fan tutte“ ist ein böses, dämonisches Spiel, bei dem viele zuschauen. Alle werden Zeugen, wie sich vier Figuren demontieren, wie sie ihre Grundsätze aufgeben, wie sie ihre Welt kaputt machen und dann neu wieder aufbauen. Zuschauer sind natürlich wir im Publikum, aber es ist mir wichtig, diesen Druck auch auf der Bühne sichtbar zu machen, durch den Chor, die Statisten, durch Don Alfonso und Despina. Eine unappetitliche Situation wie in einem dieser Fernsehcontainer: Man will nicht zuschauen, weil es sich nicht gehört, aber es ist einfach zu spannend, um wegzugucken. Dass Menschen all das verraten, wovon sie noch kurz vorher behauptet haben, es sei ihnen das Wichtigste auf der Welt, ist für uns gleichzeitig beruhigend – andere sind auch meistens charakterschwach! – und verstörend. Denn wir müssen ja an irgendwas glauben, und an die große Liebe glauben wir besonders gern. Mozart und Da Ponte sagen, dass es die nicht gibt. Und dass wir deshalb so viel und laut darüber reden, weil wir wissen, dass es sie nicht gibt. Das passiert im 1. Akt: Die Figuren tragen ihre große Liebe aufdringlich vor sich her. Umso grausamer ist es, wenn im 2. Akt alles zerbröselt. Es könnte sein wie in Thomas Manns „Mario und der Zauberer“: Der Zauberer entlockt Mario in Trance das Geheimnis seiner Liebe und stellt ihn so vor aller Augen bloß. Mario wacht aus seinem Zustand der Entrückung auf und erschießt den Zauberer. So könnte es auch Don Alfonso gehen, aber das geschieht nicht. Am Ende gibt es eine Doppelhochzeit mit „falschen“ Paaren. Das kommt uns abwegig vor nach allem, was geschehen ist. Aber es ist nicht abwegig. Der Glaube an das Geheimnis der wahren Liebe muss irgendwie wieder hergestellt werden. Denn sonst würden wir früher oder später alle zu Don Alfonsos werden. Und damit wäre die Geschichte der Menschheit bald am Ende.